Wie fühlt sich Trauer an? „Tag der Toten“ zeigt Wege auf

Der Titel klingt provokant – aber ist er das wirklich? Zu einem „Tag der Toten“ hatte kürzlich der Landesstützpunkt Hospizarbeit und Palliativversorgung Niedersachsen (LSHPN) in Kooperation mit den Rotenburger Werken und der Lebenshilfe Rotenburg-Verden eingeladen. Hinter dem Motto verbarg sich ein Aktionstag – ausgerechnet auf einem Friedhof.

Hintergrund war die Beschäftigung mit Tod und Trauer. Vor allem Besucher*innen mit Behinderungen durften sich angesprochen fühlen, sich auf einer Wiese neben den Gräbern ihren Gefühlen zu stellen und kennenzulernen, wie sie mit der Tatsache umgehen können, dass Menschen sterben müssen. Die Angebote am „Tag der Toten“ waren eigens niedrigschwellig konzipiert und damit ein Gewinn für Menschen mit Behinderung, aber auch für Betreuende und Mitarbeitende. Aus der Arbeitsgruppe Hospiz- und Palliativversorgung in Einrichtungen der Eingliederungshilfe war die Idee für diesen inklusiven Tag zu den Themen Tod und Trauer entstanden.

Nach der Einstimmung durch den Gebärden-Chor „Die singenden Hände“ der Rotenburger Lindenschule begrüßten Marlene Siebold vom LSHPN und Verstehensassistentin Inga Schiffler die Gäste. „Jeder soll hier die Gelegenheit haben, um verstorbene Menschen zu trauern, über Sterben und Tod nachzudenken oder dazu ins Gespräch zu kommen“, so Siebold. Schiffler trug ein Grußwort der kurzfristig verhinderten Referentin der Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen in Niedersachsen, Sandra Stein, vor. Diese appellierte, das Thema offen anzugehen: „Seien Sie mutig! Sagen Sie, was Sie sich wünschen!“

Sabine Ulrich, Geschäftsführerin der Rotenburger Werke, stellte die Notwendigkeit der Selbstbestimmung aller Menschen gerade auch in den letzten Lebenstagen in den Blickpunkt. Dem pflichteten die Organisatorinnen des Tages, Melanie Ludwig und Elke Schick bei.

An den Aktionsständen konnten die Besucher ausprobieren, was ihnen im Falle des Todes eines Angehörigen oder Freundes guttun würde und wie sie aktiv die Trauer bewältigen können. An „Wutkissen“ zum Beispiel durften sie Aggressionen rauslassen, ein Fass füllten sie mit blauen Glassteinen als Symbole ihrer Tränen. Die einen drehten am Glücksrad und konnten dort einen Swimoo, ein Wegbegleiter mit den zwei Stimmungsgesichtern lachend und traurig, gewinnen, andere schickten Ballons mit „Letzten Wünschen“ in den blauen Frühherbst-Himmel. In der Kirche konnten zusammen mit Henning Rutsatz und seinem Team von Abschied-Bestattungen Gedenkbretter gestaltet werden.

Dicht umlagert war der Tisch zur Gestaltung eines Mini-Notfall-Koffers. In diesen packten die Teilnehmer selbst angerührte „Trostsalben“, aber auch „Rettungsringe“ und „Trostpflaster“. Eigens aus Linz angereist waren Verena Brunnbauer und Nicole Honeck mit ihrer „Sargbar“. Sie luden am Sarg, der hier zur Bar umfunktioniert worden war, zu Gesprächen ein, die an das Thema der Vergänglichkeit heranführten. Bei Kantor Stephan Orth an der Orgel schließlich durfte man zur „Hitparade der Trauerlieder“ beitragen und sich Lieblingssongs wünschen.

„Ich habe schon einiges mitgemacht in meinem Leben“, berichtete beispielsweise Besucher Bernd Meyer. „Hier kann ich in die Zukunft schauen. Und das ist eine gute Sache.“ Renate Dorn erzählte: „Als meine Mutter starb, wusste ich nicht, wie ich damit umgehen sollte. Damals hatte ich keine Chance, mich auszudrücken. Ich bin froh, dass hier beim ,Tag der Toten’ Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie ich als Gehörlose zu diesem Thema kommunizieren kann.“

Letztlich konnten alle Gäste viele neue Erfahrungen zum Thema Tod und Trauer mit nach Hause nehmen. Förderer der Veranstaltung waren die Aktion Mensch, die Bischöfliche Stiftung Gemeinsam für das Leben und das niedersächsische Sozialministerium. Unterstützt wurde auch von der TheissenKopp GmbH.